Das Buch zum Thema:
Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten

Der Verlag Hellmuth Mielke & Co, Hans Steinsberg, Wien
Die Kinderzeitungen: Papagei, Schmetterling, Kiebitz
Teil 1

Der Verlag Hellmuth Mielke & Co, als dessen Eigentümer Hans Steinsberg firmierte, spielte mit seinen drei grossen Kinderzeitungen, die zwischen 1926 (Papagei und Schmetterling) bzw. 1930 (Kiebitz) bis zu ihrer offenbar kriegsbedingten Einstellung 1941 erschienen, in der Entwicklung der trivialen deutschsprachigen Kinderliteratur eine nicht zu unterschätzende Rolle, auch wenn diese Kinderzeitschriften heute nur mehr Sammlern bekannt sind.
Der Verlag und sein Eigentümer haben außer den Zeitungen, von denen ich hier berichte, kaum Spuren hinterlassen. Wir wissen, dass der Verlag in Wien etabliert war, zunächst in der Schottengasse im ersten Wiener Gemeindebezirk, später, im Lauf des Krieges folgten mehrere Adresswechsel.
Gedruckt wurden die Zeitungen vermutlich bis 1938 in der Wiener Großdruckerei Steyrermühl, (ab 1936 fehlen in den mir zugänglichen Exemplaren Angaben über die Druckerei im Impressum), ab Herbst 1938 besorgte den Druck die in Berlin ansässige Druckerei Wilhelm Greve. Anzumerken ist, dass Steyrermühl sofort nach dem Anschluss arisiert wurde und es Steinsberg möglicherweise für opportun hielt schon ab 1936 nicht mehr auf diese Druckerei hinzuweisen, weil das deutsche Reich dem Import ausländischer Presse- und Bucherzeugnisse, die aus nicht genehmen Quellen stammten, unabhängig von ihrem Inhalt, Schwierigkeiten in den Weg stellte. Möglicherweise hatte aber auch schon 1936 ein Wechsel der Druckerei stattgefunden. Steyrermühl wurde übrigens nach dem Krieg nicht zurückgegeben, sondern aus staatspolitischer Notwendigkeit vorübergehend der damals noch einflußreichen kommunistischen Partei Österreichs überlassen, die dort ab 1946 die Kinderzeitung Unsere Zeitung produzierte, die eine der erfolgreichsten österreichischen Kinderzeitungen der Nachkriegszeit werden sollte.

Es scheint, dass Steinsberg ein umsichtiger Mann war, der versuchte seinen Verlag vor den Unwägbarkeiten der damaligen Zeit abzusichern. Bereits im Herbst 1932 wird im Impressum als Eigentümer, Herausgeber und Verleger der drei Kinderzeitungen die Service-Zeitungsverlag A. G. in Glarus, Schweiz genannt, die auch alle Rechte am Inhalt der Zeitungen besaß, worauf im Impressum nachdrücklich hingewiesen wurde. Trotzdem tragen die Titelblätter der Zeitungen den Vermerk: Verlag Steinsberg und es gibt keinen Zweifel, dass der Verlag so wie bisher unter Leitung Steinsbergs von Wien aus arbeitete und die Zeitungen zunächst auch hier gedruckt wurden.
Die Gründe für diese Maßnahme sind nicht bekannt. Politische Gründe werden es wohl nicht gewesen sein. Denn die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland (1933) bzw das Entstehen des sogenannten Ständestaates in Österreich (1934) erfolgten erst später. Abgesehen davon hatte Steinsberg offenbar weder mit dem Ständestaat noch mit den Nationalsozialisten solche Schwierigkeiten, die das Erscheinen seiner Kinderzeitungen in Frage stellten. Man wird aber davon ausgehen können, dass ein Verlagssitz in der Schweiz einen höheren urheberrechtlichen Schutz bot.
Ende des 19. Jhdts war der Urheberrechtsschutz in vielen Einzelstaaten für den innerstaatlichen Bereich bereits gut verrechtlicht, ein länderübergreifender Urheberrechtsschutz fehlte aber weitgehend. In der Berner Übereinkunft von 1886 wurde daher zwischen den Vertragsstaaten u.a. beschlossen, urheberrechtliche Bestimmungen der jeweils anderen Staaten anzuerkennen. Österreich-Ungarn trat dieser Übereinkunft allerdings nicht bei sondern versuchte gestützt auf ein Gesetz von 1895 den Weg bilateraler Verträge, die seiner Interessenslage besser angepasst waren, zu gehen. Die nicht deutschsprachigen Länder der Monarchie produzierten nämlich kaum literarische Werke, die dem Ausland gegenüber zu schützen notwendig gewesen wäre. Andererseits bestand bei ihnen ein grosses Interesse daran, fremdsprachige Literatur "lizenzfrei" und daher kostengünstig in die jeweilige Landessprache zu übertragen. Da zwischenstaatlicher Urheberschutz auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit funktionierte, waren leidtragend jene Verlage der Monarchie, die oft hochwertige deutschsprachige Literaturerzeugnisse produzierten, weil diese für ausländische Verlage sozusagen 'Freiwild' waren. Die Konsequenz war, dass viele dieser Verlage ins Ausland abwanderten um in den Genuss des dortigen internationalen Urheberrechtsschutzes zu kommen. Man sagte, Österreich exportiere nicht Bücher, sondern Verlage.
In den Friedensverträgen nach dem ersten Weltkrieg wurde Österreich (damals noch kurzzeitig Deutschösterreich) von den Siegermächten zwar angehalten der Berner Übereinkunft beizutreten, die innerstaatliche Umsetzung dieses Staatsvertrages durch ein entsprechendes Gesetz, das ja erst die Voraussetzung für die konkrete Rechtsanwendung bieten konnte, ging nur schleppend vor sich. Da die österreichischen Verlage hauptsächlich in direkter Konkurrenz zu den in Deutschland ansässigen standen, versuchte Österreich nämlich zunächst mit Deutschland eine Übereinkunft über die Angleichung der Urheberrechtsgesetze der beiden Staaten zu erzielen. Diese Verhandlungen wurden 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland abgebrochen. Österreich schuf schließlich im Alleingang ein Urheberrechtsgesetz, das 1936 in Kraft trat und in novellierter Form auch heute (wieder) gilt.

Man kann also davon ausgehen, dass der Rechtsschutz auf dem Gebiet des internationalen Urheberrechtes in den frühen 30er Jahren in der Schweiz besser war als in Österreich. Auch waren die comicartigen Bildgeschichten in den drei Kinderzeitungen bereits von solcher Qualität, dass sie für andere Zeitschriftenverlage durchaus interessant sein konnten. Dazu kommt, dass nach dem noch immer in Geltung stehenden Gesetz von 1895 auch der innerstaatliche, österreichische Urheberschutz für Einzelbeiträge in Zeitschriften nur unzureichend ausgeprägt war. Ob allerdings solche Überlegungen für den Verlag Steinsberg ausschlaggebend waren, einen proforma Verlagssitz in der Schweiz zu begründen, muss Spekulation bleiben.
Bleibt anzumerken, dass der in Wien etablierte Verlag L. Beck & Sohn kurz nach dem Verlag Steinsberg gleichfalls mit drei Kinderzeitungen auf den Markt kam (Der Lustige Augustin (Großformat), Der Teddy Bär und Schnick Schnack) und ab 1932 gleichfalls über eine Schweizer Adresse verfügte: Mamut-Zeitungsverlag, Aktiengesellschaft, Zürich.

Das Vertriebskonzept

Kinderzeitschriften bzw. Kinderzeitungen waren bereits seit Jahrzehnten bekannt, ihre Verbreitungsradius, inhaltlich oder regional aber beschränkt. Der Verlag Steinsberg zielte offenbar von Anfang an darauf ab, seine Produkte im grossen Rahmen im gesamten deutschsprachigen Raum zu vertreiben. Abgesehen von einer entsprechenden Qualität, die natürlich Grundvoraussetzung für den Erfolg war, wurde dazu ein wohldurchdachtes Vertriebs- und Werbesystem eingesetzt.

Zunächst wurde das Konkurrenzfeld möglichst durch verschiedene eigene Produkte, die aber einander ähnelten und den gleichen Leserkreis ansprachen, abgedeckt. Der Verlag startete gleich von Anfang an (1926) mit zwei Kinderzeitung nämlich mit dem großformatigen Papagei und dem mittelformatigen Schmetterling. Nachdem offenbar die Aufnahmefähigkeit des Marktes ausgelotet worden war, folgte 1930 der gleichfalls mittelformatige Kiebitz.

Über die Auflagenhöhe kann man nur spekulieren. Mir liegt allerdings das 1. Februarheft des Schmetterling aus 1927 vor, auf welchem sich der Vermerk findet: "Derzeitige Auflage: 152.000 Exemplare". Akzeptiert man diese Angabe und geht davon aus, dass (ab 1930) alle drei Kinderzeitungen etwa gleich hohe Auflagenzahlen hatten und dass sie zweimal im Monat erschienen, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Verlag monatlich fast eine Million Kinderzeitungen in Umlauf brachte. Glaubhaft ist das schon, denn eine der erfolgreichen österreichischen Kinderzeitungen der Nachkriegszeit, Die Kinderpost soll in ihrer besten Zeit eine Auflage bis zu 250.000 Stück erreicht haben.
Da die Kinderzeitungen als Werbemittel eingesetzt wurden und dementsprechend teilweise Werbeaufdrucke ortsansässiger Firmen aufweisen, kann man feststellen, dass die Verbreitung tatsächlich grenzüberschreitend im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgte, was auch durch den Preisaufdruck in verschiedenen Landeswährungen bestätigt wird.

Der Vertrieb der Zeitungen erfolgte über den Buchhandel, die Postanstalten, die damals auch auf dem Gebiet des Zeitschriftenvertriebes tätig waren, oder durch Direktbestellung beim Verlag in Wien. Sehr intensiv wurde für Abbonements bzw. Jahressammelbände geworben. Obwohl die drei Zeitungen ja eigentlich Konkurrenzprodukte waren, bewarben sie sich auch gegenseitig.
Eine nach dem zweiten Weltkrieg verbreitete, damals aber in dieser Intensität bisher nicht gekannte Werbemaßnahme bestand darin, die Leser aufzufordern, sich in Klubs zusammenzuschließen, um so ihre Bindung an das Blatt zu festigen. Dazu wurden Beitrittsanmeldungen abgedruckt, Abzeichen und 'Urkunden' angeboten , Berichte aus den Ortsgruppen veröffentlicht und Fotos von Mitgliedern abgedruckt, vereinzelt auch Gratisveranstaltungen, wie z.B. Filmvorführungen angeboten.
Für den Schmetterling gab es den "Schmetterlingsklub", dessen Mitglieder "Falter" hießen, die Leser des Kiebitz waren im "KIKO-Klub" zusammengefasst und nannten sich "Kikiomi", ein Papageileser schließlich war ein "Ara" und sollte dem "Papageibund" beitreten.

Ein Teil der Auflage konnte von Geschäftsleuten bezogen werden, die die Hefte den Kindern ihrer Kunden zum Werbegeschenk machten. Zu diesem Zweck konnte gleich ein entsprechender Werbeaufdruck beim Verlag bestellt werden oder man konnte in einem dafür vorgesehenen leeren Feld eine Firmenstampiglie anbringen.
Kinderzeitungen als Werbeträger einzusetzen war kein ganz neuer Gedanke. Aber die bisherigen Werbekinderzeitungen waren in der Regel auf ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Standort bezogen. Die konsequente Neuerung des Verlages Steinsberg bestand darin, seine Zeitungen so orts- und produktneutral zu gestalten, dass sie universell als Werbeträger eingesetzt werden konnten.
Seriöse Zahlen über den Umfang des Einsatzes als Werbekinderzeitungen lassen sich natürlich nicht mehr nennen. Durchblättert man aber eine größere Zahl von Heften verschiedenster Herkunft und berücksichtigt Informationen aus Sammlerkreisen, stellt man fest, dass ein erheblicher Teil der Hefte einen Werbeaufdruck trägt. Der Werbeffekt für den Verlag Steinsberg selbst ist dabei nicht zu unterschätzen. Denn die von Firmen eingekauften und dann kostenlos abgegebenen Hefte warben natürlich nicht nur für diese Firmen, sondern auch für die jeweiligen Kinderzeitungen selbst.

Aber nicht nur im Vertriebssystem sondern auch inhaltlich setzte der Verlag Steinsberg neue Maßstäbe, die auf dem Gebiet der Kinderliteratur den Weg in die Unterhaltungsgesellschaft der Nachkriegszeit wiesen.

weiter zu: Service & Navigation
Der Verlag Hellmuth Mielke & Co, Hans Steinsberg, Wien
Die Kinderzeitungen: Papagei, Schmetterling, Kiebitz
Teil 2
Zur Startseite mit dem Verzeichnis aller anlinkbaren Beiträge
Der Verlag Hellmuth Mielke & Co, Hans Steinsberg, Wien
Die Kinderzeitungen: Papagei, Schmetterling, Kiebitz
Teil 3: Der Zeichner K. Th. Zelger
Zurück, von wo Du gekommen bist
Externer Link Inhalt
Dideldum - die lustige Kinderzeitung Kinderzeitungen von vor 1945 mit schönen Abbildungen