Kinder und Werbung

von 1900 bis in die frühe Nachkriegszeit
Teil 1


Einleitung

Es gibt zahlreiche Definitionen für den Begriff Werbung (Reklame): Im Prinzip geht es darum, den potentiellen Kunden durch zielgerichtete psychologische Einflüsse dazu zu bewegen, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Damit beschränken wir unsere Betrachtung auf das Gebiet des Kommerziellen und grenzen es von der weltanschaulich orientierten Propaganda einschließlich der Werbung für humanitäre Anliegen ab.

Werbung, so wie wir sie heute kennen, entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. Einerseits begann sich langsam eine Konsumgesellschaft zu entwickeln, die Luxusgüter auch für breitere Schichten der Bevölkerung bereit hielt, andererseits boten neue Druckverfahren die Möglichkeit in Masse für diese Güter zu werben, wobei es vor allem die ersten, industriell gefertigten Markenprodukte waren, die um Marktanteile kämpften und versuchten sich von Mitbewerbern abzugrenzen. Um die Jahrhundertwende hatte sich eine Werbeszene etabliert, in der - mit zeitgemäßen Modifakitaionen - bereits alle wesentlichen Strategien der heutigen Werbewirtschaft angedacht waren.
Da es weder Fernsehen noch Radio gab und die Elektrifizierung noch in den Anfängen steckte, waren bis weit in die Zwischenkriegszeit hauptsächlich Druckwerke Träger der Werbebotschaften.

Wenn wir untersuchen, wie Kinder bereits in die frühe Werbeszene passen, können wir im wesentlichen drei Hauptfelder unterscheiden:

  • Kinder als Motiv der Werbung: In der meist grafisch gestalteten Werbebotschaft dienen Kinder als Stilelement, oft ohne direkten Bezug zu dem beworbenen Produkt. Durch die liebliche Darstellung von Kindern wird der potentielle Käufer auf einer sentimentalen, emotionalen Ebene angesprochen, um seine Sympatie für ein bestimmtes Produkt zu wecken.

  • Kinder als Träger der Werbung: Dabei geht es darum, dass Kinder in ihrem sozialen Umfeld Erwachsene zum Kauf von Produkten motivieren. Es handelt sich um einen Teilbereich des Zugabewesens, in welchem kindergerechte Zugaben zu Produkten gegeben werden, die an sich meist für Erwachsene bestimmt sind.

  • Kinder als unmittelbare Zielgruppe der Werbung: Kinder werden durch die Werbung direkt angesprochen und zum Kauf von Produkten, die für Kinder bestimmt sind, animiert. Die Voraussetzung bilden wirtschaftliche und soziale Verhältnisse, in denen Kindern ausreichende finanzielle Mittel zum Kauf zur Verfügung stehen.

  • Kinder als Motiv der Werbung


    Reklamebildchen: Werbung für die Handnähmaschine der Fa. SINGER um 1900. Ein typisches Beispiel für Sypatiewerbung unter Verwendung des Kindermotivs. In einer idyllischen Szene erfreuen sich Mutter und Töchter an dieser 'besten, beliebtesten u. leistungsfähigsten Nähmaschine für den Familiengebrauch'.


    In der Plakatwerbung der Zeit bis zum zweiten Weltkrieg findet man das Kindermotiv relativ selten. Sehr stark vertreten ist es hingegen im sogenannten Sammelbildformat. Links Werbebildchen der Firmen Bensdorp und Küfferle.

    Anfänglich wurden den Produkten Werbezettel mit einem ansprechenden Bildmotiv beigelegt. Daraus entwickelten sich bereits Ende des 19. Jhdts. Bildserien, die nicht nur für das Produkt selbst warben sondern auch zum Sammeln und damit zum wiederholten Kauf des Produktes animierten. Das bekannteste Beispiele dafür sind die sogenannten Liebig- Bilder. Liebig's Fleisch-Extract war eines der ältesten Markenprodukte und wurde in zahlreichen Ländern vertrieben. Bereits ab 1872 begann die Firma ihr Produkt mit sehr schönen Sammelbilderserien zu bewerben, von denen im deutschen Sprachraum über 1100 Serien erschienen sind. Sehr beliebt waren und sind auch jetzt noch bei Sammlern die sogenannten Zigarettenbilder, von denen es in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Serien gab, die in Alben gesammelt wurden. Alle diese Sammelbilder waren aber, obwohl sie teilweise das Kindermotiv verwendeten, primär für Erwachsene bestimmt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg finden wir umfangreiche Serien, die für Kinder produziert wurden.

    Auffallend stark wurden Kaffeeersatzprodukte bzw. Kaffeezusätze mit dem Kindermotiv beworben. Die hohen Kaffepreise schufen für diese Produkte, die mangls aechten Kaffees auch von Kindern getrunken werden konnten, einen relativ grossen Markt. Von links nach rechts: Werbebild Aecht Franck-Caffee "Belieben Sie beim Einkaufe des aechten 'Franck' Kaffe Zusatzes stets auf die 'Kaffe'-Mühle (das Markenzeichen) zu achten."
    Werbebild Kathreiner's Kneipp-Malz-Kaffe ist wohlschmeckend und leicht verdaulich und daher für Kinder, Blutarme und Bleichsüchtige besonders zu empfehlen.
    Blechschild Seelig's kandierter Korn-Kaffe: Deutschland, vor 1920


    Links: Brotwerbung Emailschild Spatenbrot, Deutschland um 1930: "Mutti! Gib mir Spatenbrot"
    Rechts: Waschmittelwerbung Plakat Radion, Österreich um 1951: "Mammi, bin ich nicht schön?"
    Die Sympatiewerbung durch Kinderbilder wird durch eine an die Mutter gerichtete Aufforderung des Kindes, praktisch das Produkt zu kaufen, verstärkt.
    Wie wir im folgenden Beitrag sehen werden, war die Instrumentalisierung des Kindes als Kaufmotivator auch in anderer Hinsicht recht erfolgreich.

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