Zensur im weitesten Sinn ist die institutionalisierte, mit Zwangsgewalt ausgestattete Möglichkeit bestimmte Gedankenäußerungen in Wort, Bild oder Schrift, die sich an die Allgemeinheit richten, zu unterbinden.
Vorzensur bedeutet, dass jedermann, der mit einem Medienwerk (in erster Linie Druckwerke, Theaterstücke und Filme) an die Öffentlichkeit treten will, vorerst ein Exemplar seines Werkes der Zensurbehörde vorzulegen hat. Die Zensurbehörde entscheidet sodann ob bzw. unter welchen Bedingungen eine Veröffentlichung statthaft ist. Als Bedingungen kommen in Frage:
Streichung (Schnitte und Löschungen) einzelner Passagen und/oder
Verbreitungsbeschränkungen. Darunter versteht man, dass das Werk nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden darf, bzw., dass die Vertriebsmöglichkeiten eingeschränkt werden, indem das Werk beispielsweise nicht beworben werden, oder öffentlich ausgehängt werden darf usw.
Verstösse gegen die Zensurvorschriften werden bestraft, das beanstandete Werk kann beschlagnahmt und der Vernichtung zugeführt werden.
Im heutigen Sprachgebrauch wird nur die Vorzensur als 'Zensur' (im engeren Sinn) bezeichnet. Die Vorzensur findet in den modernen Demokratien nicht statt, weil sie sich mit den verfassungsmäßig garantierten Grund- bzw. Freiheitsrechten der freien Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, der Freiheit von Kunst, Religion und Wissenschaft nicht vereinbaren läßt. Von der Vorzensur ist die Nachzensur zu unterscheiden.
Nachzensur findet auch in jenen Rechtssystemen statt, welche die Vorzensur verfassungsrechtlich verbieten. Es kann zwar jeder seine Meinung frei zum Ausdruck bringen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, er muß aber im Nachhinein die Konsequenzen tragen, wenn er dabei gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen hat. Diese Konsequenzen können auch hier in einer Bestrafung des Täters und einer Einziehung des beanstandeten Medienwerkes bestehen.
Es bestehen allerdings keine Zensurvorschriften, die als solche bezeichnet werden, sondern das inhaltliche Publikationsverbot ergibt sich aus den verschiedensten gesetzlichen Vorschriften. Beispielsweise seien hier genannt:
Das Verbot bestimmter Formen der Pornografie (Kinderpornografie und Formen sexueller Gewalttätigkeiten), sowie Verbreitungsverbote, die sich aus Jugendschutzbestimmungen ergeben
Das Verbot bestimmter politischer Äußerungen. In Österreich untersagt das sogenannte 'Verbotsgesetz', welches im Verfassungsrang steht, unter Androhung schwerer Strafen jede nationalsozialistische Wiederbetätigung. Dazu gehört auch jede inkriminierbare Äußerung in einem Medienwerk.
Uberhaupt die Begehung einer allgemeinen strafbaren Handlung in einem Medienwerk (generell als Medieninhaltsdelikt bezeichnet): Verleumdung, gefährliche Drohung, Verhetzung, Hochverrat, Herabwürdigung religiöser Lehren usw.
Die Verletzung von persönlichen Rechten, wie etwa der Ehre, aber auch des geistigen Eigentums. Dazu gehört der gesamte Komplex des Urheberrechtes und der verwandten Rechtsgebiete.
Die Nachzensur wird nicht von einer zentralen Zensurbehörde ausgeübt, sondern findet im Einzelfall mit den unterschiedlichsten Zuständigkeiten von Amts wegen oder über Verlangen bzw. Antrag einer hiezu legitmierten Person (in aller Regel des Geschädigten) oder einer Institution oder Behörde statt.
Je nach der verletzten Vorschrift entscheidet sodann ein allgemeines (Straf)-Gericht oder die zuständige Verwaltungsbehörde.
Das System der Nachzensur führt zum Entstehen privater Initiativen, welche als Denunzianten die Aufgaben von zentralen Zensurbehörden übernehmen und mit entsprechenden Anzeigen und Anträgen an die Behörden herantreten. Als Beispiele aus der österreichischen Zensurgeschichte nach 1945 seien genannt:
Der Buchklub der Jugend wurde 1948 gegründet. Er konstituierte sich als gemeinnütziger Verein zur Förderung des Lesens und der Kinder- und Jugendliteratur. Wie alle Institutionen, die parteiübergreifend tätig werden wollten und auf staatliche Unterstützung angewiesen waren, wurden die Funktionärsposten proporzmäßig (im Stärkeverhältnis der politischen Parteien) besetzt. Der Buchklub, der noch heute besteht und bald eine halboffizielle Einrichtung wurde, beschäftigt sich mit Leseerziehung und Lesemotivation. In den ersten Jahrzehnten nach seinem Entstehen bildete er die organisatorische Basis des Kampfes gegen Schmutz und Schund. Seine Funktionäre erwirkten durch organisierte Anzeigentätigkeit zahlreiche Verbreitungsbeschränkungen, die letztlich die österreiche Produktion abenteuerlicher Heftromane weitgehend zum Erliegen brachte. Siehe dazu auch: Der Kampf gegen Schmutz und Schund und Trivialliteratur und Schundhefte, ein spezieller Aspekt der österreichischen Zensurgeschichte.
Ab den 70er Jahren erstatteten Angehörige einer Bürgerinitiative, die sich den Kampf gegen die Pornografie zum Ziel gesetzt hatten, hunderte Strafanzeigen gegen Filmverleihe, Videotheken und Sexshops. Die 'Pornojäger' - wie sie genannt wurden - tätigten entsprechende Ankäufe und legten das 'Beweismaterial' den Staatsanwaltschaften vor.
Zwischen den Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und den Freiheitsrechten besteht ein natürliches Spannungsverhältnis. Allgemein gilt der Grundsatz, dass die Freiheitsrechte nicht schrankenlos ausgeübt werden dürfen, sondern ihre Grenzen dort finden müssen, wo sie die Rechte anderer Menschen oder wichtige Interessen des Staates verletzen.
Es handelt sich dabei im Kern um eine allgemein gültige Rechtfertigung jeder Zensur, unabhängig davon ob diese als Vor- oder Nachzensur ausgeübt wird. Welche Werte sind es also, die einander oft überlagernd, zensorische Maßnahmen rechtfertigen?
Der Schutz religiöser Lehren: In der mildesten und gerechtfertigsten Form wird das religiöse Empfinden der Gläubigen vor Schmähungen und Spott geschützt. Es ist aber unter diesem Blickwinkel nur ein Schritt bis zur Verfolgung jener, die religiöse Dogmen in Frage stellen und Ansichten vertreten, die sich mit der zu schützenden religiösen Lehre nicht mehr in Einklang bringen lassen.
Der Schutz des Staates: Der Staat muss gegen Hochverrat und gegen umstürzlerische Tendenzen geschützt werden. Das ist zwar bei Diktaturen von besonderer Bedeutung, aber auch Demokratien müssen sich vor solchen Umtrieben schützen, sei es auch nur, um die Staatsform der Demokratie zu erhalten. Im Prinzip geht es dabei in jedem Fall um Machterhalt.
Der Schutz von Moral und Sitte: Geltende Moral- und Wertvorstellungen haben sehr viel mit dem sozialen und religiösem Selbstverständnis einer Gesellschaft zu tun. Werden sie, insbesondere auf sexuellem Gebiet in Frage gestellt, handelt es sich um einen schwerwiegenden sozialen Störfall und der Ruf nach Verboten ist nicht zu überhören.
Die Erziehung des Volkes und der Schutz der Jugend: Der Gedanke stammt aus der Aufklärung und wurde besonders in den absolutistischen Monarchien des Vormärz in die Tat umgesetzt. Dabei ging es natürlich auch darum, das Volk und insbesondere die Jugend im Sinne des geltenden Gesellschaftssystems zu indoktrinieren. Die bis heute fortwirkende zensorische Verfolgung der unter solch erzieherische Aspekten nutzlosen Trivialliteratur geht auf diese Zeit zurück.
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Freiwillige Selbstkontrollen stellen eine verfassungsrechtlich zulässige, abgemilderte Form der Vorzensur dar. Das Verbot der Vorzensur hat auch seine Schattenseiten, weil dem Verleger ein in Grenzfällen nicht sicher abschätzbares Risiko der strafrechtlichen Verfolgung und des wirtschaftlichen Verlustes eingezogener Medienwerke droht.
Interessenverbände von Verlegern (seit neuestem auch von Vertreibern von Unterhaltungssoftware) bilden eigene Kommissionen, welche die auf freiwilliger Basis vorgelegten Medienwerke ihrer Mitglieder auf gesetzliche Unbedenklichkeit überhaupt bzw. unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes begutachten und allfällige Änderungen oder Schnitte empfehlen. Der Ausspruch dieser Kommissionen ist nicht verbindlich und hat auch keinen Einfluss auf die Entscheidung staatlicher Organe. Da diese Kommissionen aber, um ihre Glaubwürdigkeit zu sichern, einen oft strengeren Maßstab anlegen als Behörden, besteht für jene, die sich an die Kommissionsentscheidungen halten, eine relativ hohe Sicherheit, von Beanstandungen verschont zu bleiben, zumal nicht selten auch Behördenvertreter zu Mitgliedern solcher Kommissionen bestellt werden. Siehe dazu auch: Comics und Zensur
Eine besondere Spielart der freiwilligen Selbstkontrolle, angesiedelt in der Grauzone der noch für zulässig erachteten Vorzensur, besteht in der direkten Kooperation von Verlagen und Behörden um das mediale Angebot ohne direkten Zwang in gewünschte Bahnen zu lenken. Auch hier seien Beispiele aus der österreichischen Zensurgeschichte nach 1945 angeführt:
Die Kommission für Kinder und Jugendliteratur wurde 1947 beim Unterrichtsministerium eingerichtet. Sie wurde beschickt von Vertretern der (parteipolitisch oder religiös orientierten) Jugendorganisationen, der Verleger, Schriftsteller und Schulbehörden. Ihre Aufgabe war die Begutachtung von Kinder- und Jugendliteratur. Ihre Empfehlungen wurden im Verordnungsblatt des Ministeriums veröffentlicht. Diese Empfehlungen hatten marktsteuernde und kulturpolitische Effekte, weil es für die Verlage von großer wirtschaftlicher Bedeutung war, dass ihre Bücher positiv besprochen wurden. Parallel dazu entwickelten sich Listen mit Negativprädikaten, die Titel beinhalteten, die von der Kommission für nicht empfehlenswert gehalten wurden.
Die Jugendmedienkommission ist beim Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur eingerichtet und wird im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention und der Ratsempfehlung über den Jugendschutz in den audiovisuellen Medien tätig, kann aber keine zwingenden Anordnungen treffen. Die Kommission besteht bereits seit 1948.
In Österreich anlaufende Kinofilme werden über Antrag des jeweiligen Filmverleihs durch die der Jugendmedienkommission angehörenden Experten und Sachverständigen auf ihre Kinder- bzw. Jugendtauglichkeit geprüft. Vorschläge über die empfohlene Altersfreigabe der Filme werden an die Landesregierungen, bei denen die endgültige Entscheidung liegt, weitergeleitet, wobei Filme für jugendfrei erklärt oder erst ab einem bestimmten Alter zugelassen werden.
Seit Juli 2001 besteht eine Übereinkunft zwischen dem ORF und dem Bildungsministerium im Bereich des Jugendmedienschutzes zusammenzuarbeiten. Auf Anfrage werden Filme für den ORF auf ihre Jugendtauglichkeit geprüft.
Zukünftige Aufgabenbereiche der neuen Jugendmedienkommission umfassen die Prüfung von Computerspielen und Internet-Inhalten in Zusammenarbeit mit internationalen Experten und Gremien auf diesem Gebiet. (zitiert nach der offiziellen Hompage der JFK)
Die Förderungspolitik als positive Maßnahme zur Förderung von Publikationen, Kunstschaffen und dgl. stellt gewiss keine Zensurmaßnahme im traditionellen Sinn dar. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass der Staat des Mäzenatentum früherer Jahrhunderte übernommen hat und das Kulturschaffen in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend von staatlichen Zuschüssen abhängt. Das reicht vom Ankauf von Bildern bis hin zur Subventionierung von Theatern. Es versteht sich von selbst, dass die Zuteilung von Förderungsmitteln oder deren Ausbleiben, worüber letztlich die weltanschaulich orientierten politischen Entscheidungsträger befinden, steuernde und in der wirtschaftlichen Realität durchaus auch zensorische Wirkung haben kann.
Politische Korrektheit (engl.: Political Correctness) ist ein im deutschen Sprachraum erst in den letzten beiden Jahrzehnten wirksam gewordenes System der Sprachregelung, das von politisch agierenden Gruppierungen zunächst meist im rechtsfreien Raum initiiert wird, um althergebrachte Worte, die mit negativen Assoziationen besetzt sein können, durch neue positive Begriffe zu ersetzen. Eines von unzähligen Beispielen: Das Wort 'Zigeuner' wird als diskriminierend beurteilt und daher mit dem Ziel, die Rechte dieser Minderheit zu stärken und zu vermehren, durch den Ausdruck 'Volksgruppen der Roma und Sinti' ersetzt.
Völlig verpönt ist es daher auch, in einem Medienwek einen 'Zigeuner' als diebisches Subjekt darzustellen, weil dadurch ein jahrhundertealtes Vorurteil gegen Angehörige dieser Volksgruppe genährt werden könnte. Das entspricht klassischen Zensurstrategien: In der Zeit des Vormärz (1815 - 1848) wurden zwar 'Zigeuner' nicht als schutzwürdige Objekte angesehen, wohl aber war es verboten, Angehörige bestimmter Gesellschaftsschichten wie Adelige, Offiziere oder Geistliche ungünstig darzustellen. Textpassagen in Romanen oder Theaterstücken, die in dieser Hinsicht verdächtig waren, fielen ohne Rücksicht auf den Handlungszusammenhang dem Stift des Zensors zum Opfer.
Sobald eine solche Sprachregelung soweit Akzeptanz findet, dass sie in die parteipolitische Agitation und allgemeine öffentliche Diskussion Eingang findet, gewinnt sie eine Eigendynamik, der sich kaum jemand entziehen kann, der sich öffentlich äußern will. Letztlich werden diese neuen Begriffe in den offiziellen Sprachgebrauch übernommen, mit Verordnungen und Dienstanweisungen für Behörden verbindlich gemacht und finden Eingang in Gesetzestexte.
Oft wird in diesem Zusammenhang von einer Sprachmanipulation gesprochen. Das greift zu kurz. Tatsächlich handelt es sich um eine gewollte Meinungsmanipulation mit Hilfe der Sprache. Denn jeder, der sich maßgeblich öffentlich äußern will, muss sich, um massiven Angriffen politischer Gegner bzw. Angehöriger jener Lobbys, die am Gebrauch der neuen Bezeichnungen Interesse haben, vorzubeugen, vorher seine Wortwahl auch unter dem Gesichtspunkt der 'Political Correctness' genau überlegen. Dadurch wird in gewünschter Weise sein Problembewusstsein gestärkt und letztlich manipuliert. Das führt dazu, dass jeder in einer allgemeinen öffentlichen Diskussion reflexartig mit einer Rüge reagiert, wenn sich ein anderer in der Wortwahl vergreift. Dieses System hält sich, sobald es einmal in Gang gebracht wurde, selbst am Laufen, ohne das es zunächst eines staatlichen Eingriffes bedarf.
Wohl aber können in weiterer Folge ernstere Verstöße gegen die 'Political Correctness' auch zu strafrechtlichen oder auf Beamtenebene zu disziplinären Sanktionen führen. Denn zahlreiche Gesetze auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes, der Gleichbehandlung und zur Abwehr unerwünschten, in der Regel rechtsradikalen Gedankengutes sind straf- oder sonst sanktionsbewehrt. Es gehört inzwischen durchaus zum Reportoir tagespolitischer Agitation, um den Meinungsdruck zu erhöhen, manche Verstöße gegen die 'Political Correctness' zur strafrechtlichen oder disziplinären Anzeige zu bringen, selbst dann, wenn bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Verurteilung zu rechnen ist. Der Druck wird weiter dadurch erhöht, dass jeder Politiker, der sich in der Wortwahl vergreift mit gezielten medialen Attacken rechnen muss. Für seine politischen Gegner ist das Anlass sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beschädigen, für die interessierte Lobby bietet ein solcher 'Versprecher', der zum 'Aufreger' gemacht wird, ein willkommenes Forum um ihrer Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, dass wir es hier im Ergebnis mit einem hochwirksamen, in seinen Mechanismen noch viel zu wenig erforschten und für die freie Meinungsäußerung gefährlichen Zensursystem zu tun haben, dessen Eigentümlichkeit darin besteht, dass es nicht unbedingt von staatlicher Seite initiiert wird und das durch geschickte gruppendynamische Manipulation eine starke Eigendynamik entwickelt.
Die Rechtfertigung, dass es dabei doch nur um die Durchsetzung gerechter Anliegen geht und dass lediglich dem 'Ungeist' (welchem auch immer) Einhalt geboten werden soll, wird für jede Art von Zensur in Anspruch genommen und ist daher ebensowenig geeignet zur Beruhigung beizutragen wie das (heuchlerische aber politisch korrekt formulierte) Argument, eine politsch reife Gesellschaf lege sich selbst, allein durch sozialen Druck, der aus moralischer Überzeugung hervorgeht, gewisse Beschränkungen in der Meinungsäußerung auf.
Es versteht sich von selbst, dass auch Kinderbücher unter dem Gesichtspunkt der 'Political Correctness' umgearbeitet wurden. Als Beispiele dafür sind zu nennen: Hatschi Bratschis Luftballon oder Zehn kleine Negerlein .