Zensur im weitesten Sinn ist die institutionalisierte, mit Zwangsgewalt ausgestattete Möglichkeit bestimmte Gedankenäußerungen in Wort, Bild oder Schrift, die sich an die Allgemeinheit richten, zu unterbinden. |
Im Jahre 399 v. wurde der Philosoph Sokrates in Athen zum Tode verurteilt. |
Dieser Fall weist alle Merkmale zensorischen Vorgehens auf. Es ging primär darum, den Verbreiter verpönten Gedankengutes im Rahmen eines förmlichen Verfahrens zum Widerruf zu bewegen, ihn mundtot zu machen und seine Lehren zu unterdrücken, nicht unbedingt darum, ihn umzubringen. |
Platon, ein Schüler des Sokrates hatte bereits eine umfassende Zensur von Werken der Dichtkunst im Auge. Er setzt sich in seinem Dialog "Der Staat" intensiv mit Dichtung und Literatur auseinander und zwar unter dem Gesichtspunkt der moralischen Eignung von Dichtung für Erziehung und Bildung der Heranwachsenden. In diesem Sinn kritisiert Platon die Mython und das unwürdige Bild der Götter, so wie sie bei Homer geschildert werden: Die Götter seien gut, wirken nichts schlechtes und täuschen die Menschen nicht. Nur so- fordert Ploaton- dürfen die Götter von den Dichtern geschildert werden. |
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"Bei diesem und all derartigem werden wir den Homeros und die übrigen Dichter um Nachsicht bitten, daß sie uns nicht zürnen, wenn wir es (für junge Männer ungeeignete Passagen) durchstreichen, nicht, weil Solches etwa nicht dichterisch und nicht für die Menge vergnüglich zu hören wäre, sondern gerade je dichterischer es ist, desto weniger dürfen es Knaben und Männer hören, welche frei sein sollen, insoferne sie Sklaverei mehr als den Tod fürchten. – Ja, durchaus wohl. –... |
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Weiters warnt Platon von der Gefahr, die vom Theater, besonders für jene, die sich aktiv an Theateraufführungen beteiligen, ausgeht: Die Nachahmungen könnten zur Gewohnheit und zu einer zweiten Natur werden, sowohl körperlich und in der Stimme wie vor allem auch im Denken. |
Im Codex Justinius, in welchem das Recht des Imperium Romanum zusammengefasst wurde, findet sich eine ausführliche Zensurvorschrift: |
De famosis libellis (Von den Schmähschriften)
Edikt der Kaiser Valentinian I und Valens, Konstantinopel, 365
Im ersten Teil stellt das Edikt die Verbreitung anonymer Schmähschriften grundsätzlich unter Strafe und zwar unabhängig davon, ob sie von dem verbreitet wurden, der sie verfasst hat, oder einem anderen. Unter Schmähschrift verstand man jede Kritik am Staat oder an den Staatsorganen im weitesten Sinn. zitiert nach "Codex Justinianus" Reclam-Bibliothek Band 1368 |
Es war aber letztlich das Christentum, das erstmals, bereits in der Spätantike ein durchorganisiertes Zensursystem schuf und mit aller Härte exekutierte. Möglich wurde das, sobald die Kirche mit dem Staat eine dauerhafte Verbindung einging, weil das zunehmend wegen seiner völkischen Vielfalt und Größe unstabil werdende Römische Reich eine staatseinigende Komponente suchte und glaubte im Christentum gefunden zu haben. |
Aus der Ersten Apologie (Verteidigung des Christentums) des Justin (hingerichtet um 165)
Als Sokrates aber mit wahrer Vernunft und nach genauer Prüfung diese Dinge (gemeint nach Ansicht des Justin: Die alten Götter sind in Wahrheit böse Dämonen) ans Licht zu bringen und die Menschen von den Dämonen abzuziehen versuchte, haben die Dämonen es durch Menschen, die an der Schlechtigkeit ihre Freude haben, dahin gebracht, dass er als Gottesleugner und Religionsfrevler hingerichtet wurde, indem sie vorgaben, er führe neue Götter ein, und in gleicher Weise setzen sie gegen uns ganz dasselbe ins Werk...
Aus der Apologie des Minucius (ca 200): "Dialog Octavius"
...Was soll ich erst sagen von Mars und Venus, die beim Ehebruch ertappt wurden, und von Jupiters schändlichen Neigungen...Alle diese Geschichten haben nur den Zweck, menschlichen Lastern eine gewisse Berechtigung zu verschaffen. Durch diese und ähnliche Dichtungen und nur zu verführerische Lügen wird der Knaben Geist verdorben... |
Die Ursachen, warum das Christentum selbst schon früh begann, zensorische Systeme bis hin zur Inquisition zu entwickeln, um unerwünschte Gedankenäußerungen zu unterdrücken, sind vielfältig und überwiegend aus der geschichtlichen Entwicklung erklärbar.
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Kaiser Galerius, der sich zuvor noch für die Verfolgung der Christen eingesetzt hatte, beendete durch das Toleranzedikt von Nikomedia vom 30. April 311 die Christenverfolgungen im Römischen Reich |
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Die Kaiser Gratian, Valentinian II und Theodosius I an die Einwohner von Konstantinopel, Thessalonike, 380
Alle unter Unserer milden Herrschaft stehenden Völker sollen nach Unserem Willen demjenigen Glauben angehören, den der heilige Petrus, wie die von ihm offenbarte Religion beweist, den Römern mitgeteilt hat.......
Die Kaiser Gratian, Valentinian II und Theodosius I an den Prätorianerpräfekten Eutropius, Konstantinopel, 381
Den Ketzern soll kein geistliches Amt und keine Möglichkeit offenstehen, den Wahnwitz ihres hartnäckigen Gemütes auszusprechen...
Die Kaiser Theodosius II und Valentinian III an den Prätorianerpräfekten Bassus, Ravenna, 426
Zu allen Zeiten soll es einem jeden freistehen, diejenigen zu verfolgen, die in schändlicher Weise von der christlichen Kirche abtrünig geworden sind. Die Untersuchung eines solchen Verbrechens soll an keine Zeit gebunden sein. zitiert nach "Codex Justinianus" Reclam-Bibliothek Band 1368 |
Häresie
Das Wort bezeichnet im Griechentum und im Hellenismus ein frei gewähltes Bekenntnis religiösen oder politischen Inhalts oder eine wissenschaftliche Denkweise.
Der Begriff wurde im frühen Christentum im Sinne einer willkürlichen Auswahl aus dem Lehrgut der Kirche und einer Abweichung von den Dogmen verwendet. Damit gewann er eine Bedeutung, die identisch ist mit dem im Mittelalter aufkommenden Begriff der Ketzerei. |
Das Zentrum des Römischen Reiches, verlagerte sich bereits vor und in jener Zeitepoche, die als Völkerwanderung bezeichnet wird, und in welcher letztlich der Westen des Reiches zusammenbrach, von Rom nach Osten, nach Konstantinopel.
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Versuch der Reichseinigung durch eine Staatsreligion
Im Rahmen der letzten großen Christenverfolgung befahl der römische Kaiser Diokletian (links) im Jahre 303, die Schriften der Christen zu verbrennen. |
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Das relativ rasche Umschwenken der Reichspolitik in der Christenfrage von Verfolgung bis zur Zuerkennung einer staatstragenden Rolle führte auch innerhalb der Christengemeinde zu schweren Spannungen.
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Zwischen dem 4. und dem 7. Jahrhundert wurde der innerkirchliche Streit um die göttliche Natur Jesu mit gegenseitigen Verurteilungen, Bücherverbrennungen und Todesdrohungen geführt.
Bücherverbrennungen als zensorische Maßnahme hatten nicht nur den Zweck die Schriften aus dem Umlauf zu ziehen, sondern auch symbolisch und augenfällig die Verdammung ihres Inhaltes zum Ausdruck zu bringen. |
Arius lehrte, dass Jesus nicht Gott, also nicht wesensgleich, sondern nur wesensähnlich mit Gott sei. Epiphanios von Konstantia auf Cypern listete 374/77 in einem Panarion genannten Ketzerverzeichnis sämtliche Ketzer und ihre Lehren auf. |
Origenes(185 - 254) war christlicher Gelehrter und Theologe. In der Logos-Theorie hebt Origenes die Menschlichkeit Christi deutlich hervor: Der Vater (1. Logos) sei größer als der Sohn (2. Logos). Origines lehnte auch das Konzept ewiger und unentrinnbarer Strafe (durch deren Androhung die Gläubigen bei der Stange gehalten werden konnten) ab. Diese Ansicht wurde später von der katholischen Kirche verworfen. Origines war sehr umstritten, genoss aber hohes Ansehen und entging daher zu Lebzeiten einer Verurteilung als Ketzer.
Nestor (Nestorius, Nestorianismus), Patriarch von Konstantinopel, gilt als Vertreter der antiochenischen Lehrmeinung, wonach die göttliche von der menschlichen Natur in Christus getrennt sei. Der Streit war entstanden weil er Maria als Mutter des Menschen Jesu mit Christusgebärerin und nicht als Gottesmutter bezeichnete. Seine Gegner aus der Alexandrinischen Schule, geführt von Bischof Kyrill von Alexandria , sahen darin eine Verletzung der Lehre von der Dreieinigkeit Gottes.
Das von Kaiser Marcianus einberufune Konzil von Chalcedon (451) legte die „Chalzedonischen Glaubensformel” als Glaubenssatz fest. Danach sind nunmehr in der Person Jesu die göttliche und die menschliche Natur „unvermischt und unzertrennlich” enthalten.
Mani (216 - 276) verstand sich selbst als Nachfolger der großen Religionsstifter: Jesus, Zarathustras und Siddhartha Gautamas. Der Manichäismus war eine synkretistische Lehre , die zoroastrische, christliche und buddhistische Elemente enthielt. Im Mittelmeerraum agierte der Manichäismus als "Kirche des heiligen Geistes" und trat als Konkurrenz für das katholische Christentum auf.
Im Jahr 446 ließ Papst Leo I. alle Schriften der Manichäer verbrennen. |
Im Decretum Gelasianum delibris recipiendis et non recipiendis, das um 500 entstand und nach Papst Gelasius benannt wurde, sind zum erstenmal alle anerkannten und nicht anerkannten Kirchenschriftsteller zusammengestellt. Das Decretum Gelasianum kann als ein Vorläufer des Index librorum prohibitorum (Verzeichnis der verbotenen Bücher) angesehen werden.
Kaiser Konstantin IV berief 680 das Konzil von Konstantinopel III ein, auf dem der Monotheletismus, die Lehre, Christus habe nicht zwei Willen, wie seine Doppelnatur annehmen lassen könnte, sondern nur einen, als Häresie verurteilt wurde. Die ab nun gültige Doktrin lautete, dass Christus zu jeder seiner beiden Naturen (göttlich und menschlich, unvermischt und unzertrennlich) einen Willen besitze, und der menschliche dem göttlichen Willen untergeordnet sei. |
Flavius Claudius Julianus "Apostata", Römischer Kaiser (331-363)
Kaiser Julian II., der die Gefahr, die von den christlichen Eiferern ausging erkannte, versuchte die religiöse Toleranz im Reich zu erhalten. Er setzte den Christen Schranken, ohne aber eine neue staatliche Christenverfolgung auszulösen und gestattete wieder die ungestörte Ausübung der alten Religionen. Seine Bemühungen hatten keinen dauerhafter Erfolg. Patriarch Theophilus triumphierend auf den Resten des von ihm zerstörten Serapeions (in einer zeitgenössischen Darstellung) |
Christenverfolgung und Heidenverfolgung
In den von Christen geschriebenen Kirchengeschichten werden die Christenverfolgungen stets überbetont und den frühen Märtyrern ein herausragender Platz eingeräumt. Tatsächlich fanden im Römischen Reich Christenverfolgungen meist nur insoweit statt, als Christen ein Verhalten an den Tag legten, das sie als Feinde des Staates erscheinen ließ, insbesondere durch Verweigerung des Kaiseropfers. Abgesehen davon war den Römern, in deren Reich eine Vielzahl von Religionen existierte religiöse Intoleranz fremd. Anders hätte sich das Christentum auf dem Boden des Imperiums auch nicht so rasch ausbreiten können. |
Kyrill von Alexandria Patriarch von Alexandria, Heiliger, Kirchenvater und Kirchenlehrer.
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Die mit dem Vorwurf der Hexerei begründete Ermordung und Verbrennung der Philosophin und Wissenschaftlerin Hypatia ist mehr als ein wenngleich bedauerliches singuläres Ereignis. Diese Tat ist symptomatisch für die Haltung des Christentums der Wissenschaft, Andersgläubigen und Frauen gegenüber und gibt die Entwicklung vor, die das Christentum für die nächsten tausend Jahre nehmen sollte, bis hin zu den Feuern der heiligen Inquisition, in denen Frauen als Hexen und Wissenschaftler als Ketzer verbrannt wurden. |
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Katharina von Alexandria Katharina von Alexandria ist die Schutzpatronin der Universitäten und Schulen, der Theologen und Juristen, der Mädchen und Frauen. Sie zählt zu den 14 Nothelfern und gehört zusammen mit Barbara und Margareta zur Gruppe der heiligen drei Jungfrauen. |
Aus einer heidnischen Märtyrerin wird eine christliche Heilige
Es liegt in der Natur der Sache, dass die unzähligen überzeugten Anhänger des alten Glaubens und der antiken Philosophie, die Opfer und Märtyrer der von den Christen initiierten Heidenverfolgungen wurden und mit ihrer Religion und Weltanschauung untergingen, in keinem Märtyrerverzeichnis aufscheinen. |
Hypatia von Alexandria
Das Christentum pflegte von Anfang an 'heidnische' Traditionen, die sich nicht ohne weiteres unterdrücken ließen, deckungsgleich mit christlicher Symbolik zu überlagern und so zu 'entschärfen'. Wenn man will, auch eine Art der Zensur. |